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Aktuell durchläuft der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ("GWB") das Gesetzgebungsverfahren. Die geplante Novelle, deren In-Kraft-Treten für Anfang 2017 erwartet wird, sieht eine Reihe von Änderungen vor. Eine der vorgesehenen Änderungen betrifft die Anpassung des deutschen Kartellrechts an das EU Kartellrecht und zur Schließung der sog. Wurstlücke die Haftung von Konzernobergesellschaften und Investoren für Kartellrechtsverstöße ihrer Tochtergesellschaften bzw. ihrer Portfoliounternehmen.

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Einführung einer (verschuldensunabhängigen) Konzernhaftung für Kartellgeldbußen

Im aktuell noch geltenden deutschen Kartellrecht gilt das sog. Trennungsprinzip bzw. Personalitätsprinzip. Begeht ein Verantwortlicher einer juristischen Person einen Kartellverstoß, kann ein Bußgeld nur gegen "diese" juristische Person verhängt werden (§ 30 Abs. 1 OWiG). Eine (verschuldensunabhängige) Haftung der Konzernmutter oder von Investoren gab es in Deutschland hingegen bislang nicht. Eine Ahndung anderer Konzerngesellschaften als der "Tätergesellschaft" kommt nach geltendem Recht nur dann in Betracht, wenn eine vorwerfbare Aufsichtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann (§ 130 OWiG).

Die 9. GWB-Novelle sieht mit der Einführung des § 81 Abs. 3a GWB-Regierungsentwurf eine Abkehr von diesem Prinzip und eine Konzernhaftung nach unionsrechtlichem Vorbild vor. Hat ein Verantwortlicher einer juristischen Person einen Kartellverstoß begangen, so soll "auch gegen weitere juristische Personen" eine Geldbuße festgesetzt werden können, wenn diese zum Zeitpunkt der Tatbegehung "das Unternehmen […] gebildet" und "unmittelbar oder mittelbar einen bestimmenden Einfluss" auf die Tätergesellschaft ausgeübt haben.

Nach dem Entwurf haften auch Private Equity-Investoren bzw. Konzernobergesellschaften 

Der Entwurf würde damit eine Bebußung der Muttergesellschaft bzw. Konzernobergesellschaft einer an einem Kartellverstoß beteiligten Tochter- bzw. Portfoliogesellschaft ermöglichen, soweit die Gesellschaften ein einheitliches Unternehmen ("wirtschaftliche Einheit") bilden und die Muttergesellschaft bestimmenden Einfluss auf die Tochter-/Portfoliogesellschaft ausgeübt hat. Die Mutter- und Tochter-/Portfoliogesellschaft sollen dabei für die Geldbuße gesamtschuldnerisch haften. Es wird dabei nicht danach differenziert, ob es sich bei der Obergesellschaft um einen strategischen oder einen institutionellen Investor handelt.

Angleichung an Unionsrecht und Kartellrechtspraxis der Europäischen Kommission: der Fall Goldmann Sachs


Mit der vorgesehenen Änderung soll das deutsche Kartellrecht weiter an die EU-Kartellrechtspraxis angeglichen werden. So sieht die Begründung des Regierungsentwurfs ausdrücklich vor, dass der Unternehmensbegriff nach der Unionsrechtsprechung ausgelegt werden soll. 
Nach der EU-Kartellrechtspraxis ist das Vorliegen einer "wirtschaftlichen Einheit" und eines "bestimmenden Einflusses" einer Muttergesellschaft bei einer 100%-igen Tochtergesellschaft nur schwer (wenn nicht gar faktisch unmöglich) zu widerlegen. Bei geringeren Beteiligungen muss anhand der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verhältnisse nachgewiesen werden, ob die Muttergesellschaft die Geschicke des Tochterunternehmens so lenkt, dass die Tochter nicht mehr unabhängig von der Mutter am Markt agiert. Die gleichen Grundsätze gelten auch bei reinen (Minderheits-) Finanzbeteiligungen. Dies bekam im April 2014 Goldman Sachs durch eine Entscheidung der Europäischen Kommission ("Kommission") zu spüren. Gegen elf Unternehmen hatte die Kommission Bußgelder über insgesamt etwas mehr als EUR 300 Mio. verhängt, weil diese von 1999 bis 2009 die Preise für Unterseekabel untereinander abgesprochen hatten. Der Kabelhersteller Prysmian gehörte von 2005 bis 2010 zum Portfolio von Goldman Sachs. Goldmann Sachs bekam dafür eine Geldbuße von EUR 37 Mio. zugeteilt. Die Kommission machte Goldman Sachs für das kartellrechtswidrige Verhalten von Prysmian mitverantwortlich, weil die Bank entscheidenden Einfluss auf Prysmian ausgeübt habe. Dass Goldmann Sachs von den Absprachen nichts wusste und nur mit etwas mehr als 40% beteiligt war, spielte nach Ansicht der Kommission keine Rolle. 1

Keine Haftungsvermeidung durch Umstrukturierung - sog. "Wurstlücke" soll geschlossen werden

Durch die Einführung der Konzernhaftung würden weitgehend auch die bisherigen Gestaltungsmöglichkeiten, sich Bußgeldzahlungen durch konzerninterne Umstrukturierungen oder Vermögensverschiebungen zu entziehen, entfallen. Ferner sieht der Regierungsentwurf für die Fälle der Rechtsnachfolge und wirtschaftlichen Nachfolge vor, dass das Bußgeld auch gegen den Nachfolger festgesetzt werden kann. Damit versucht der Gesetzgeber eine Gesetzeslücke, die sog. "Wurstlücke", zu schließen, mit Hilfe derer sich ein kartellbeteiligtes Unternehmen im Wurstkartell durch mehrere Umstrukturierungen der Bußgeldhaftung entzogen hatte. 

Haftung auch für zivilrechtliche Kartellschadensersatzansprüche?

 

Nach dem GWB ist, "wer" einen Kartellrechtsverstoß begeht, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Danach kann beispielsweise ein Kunde von den am Kartell beteiligten "Tätergesellschaften" Schadensersatz für kartellbedingte überhöhte Preise verlangen, nicht hingegen - nach bislang geltendem Recht - von der Muttergesellschaft oder dem Investor der Tätergesellschaft. Fraglich ist, ob sich hieran durch die EU-Kartellschadensersatzrichtlinie und die 9. GWB-Novelle etwas ändert. Die 9. GWB Novelle hat den weiten europäischen Unternehmensbegriff nicht in die Vorschrift zum Schadensersatz aufgenommen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Geschädigte basierend auf EU-Recht und der Ausweitung der Bußgeldhaftung auf Konzernobergesellschaften argumentieren, dass Konzernobergesellschaften auch für den durch ihre Tochtergesellschaften verursachten Kartellschaden in Anspruch genommen werden können. 

Fazit und Handlungsempfehlungen

Mit In-Kraft-Treten des Gesetzentwurfs zur 9. GWB-Novelle würde das Haftungsrisiko für Konzernobergesellschaften und Investoren für Kartellrechtsverstöße ihrer Portfoliogesellschaften deutlich steigen. Die Sanktionen für derartige Verstöße können gravierend sein. Eine gründliche und sorgfältige kartellrechtliche Prüfung des Investitionsobjekts würde damit wichtiger denn je.

In diesem Fall wäre dringend zu empfehlen, vor beabsichtigten Beteiligungskäufen eine umfangreiche und detaillierte kartellrechtliche Due Diligence Prüfung durchzuführen. Auch im Rahmen des Kaufvertrags müsste verstärkt auf umfassende Garantien, Sicherheiten und Freistellungszusagen geachtet werden. Falls eine ausgiebige Prüfung vor Erwerb der Beteiligung nicht möglich wäre, müsste diese in jedem Fall im Anschluss an die Transaktion nachgeholt werden.

Gegen diese Bußgeldentscheidung klagt Goldmann Sachs gegenwärtig vor dem Gericht der Europäischen Union.


 

 

 

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